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Coronares

Leben in Zeiten der Seuche

 

 

28. Oktober 2020

Während die Kanzlerin, immer mehr an die leider unvergessliche Inge Meysel erinnernd, zwischen enttäuschtem Schmollen und etwas kraftlosem „wir-schaffen-das“ schwankt, richtet das Coronavirus in den Körpern seiner Opfer diverse, leider manchmal schwerwiegende Schäden an. Längst sind nicht alle negativen Effekte bekannt, die der Erreger herbeiführen kann, aber zu den schlimmsten Begleiterscheinungen der Seuche gehören jene, die offenbar ohne physische Infektion entstehen können; allein die Beschäftigung mit dem Thema Covid-19 sowie ein konstitutioneller Hang zur Wichtigtuerei reichen aus. Die Funktionsstörungen betreffen das Zentrale Nervensystem, und solange die zahllosen Experten nicht einen anderen Begriff erfunden haben, schlage ich in Anlehnung an eine Wendung der großartigen Dr. Erika Fuchs die Bezeichnung Gehirnverkäsung vor. Wäre es üblich, Krankheiten nach von ihnen befallenen Patienten zu benennen und nicht nach Ärzten, die sie erstmalig beschrieben haben, könnte auch von Morbus Lauterbach gesprochen werden. Der sozialdemokratische „Gesundheitsexperte“ tourt seit Monaten durch die Talkshows, zusehends frustriert ob der Unwahrscheinlichkeit seiner Kanzlerwerdung. Der Söder ist nicht mal Arzt, kann aber qua Amt der Bevölkerung allerlei vermeintlich erforderliche Freiheitseinschränkungen auferlegen und zeigen, wie stark er ist – was ihn für den Kanzlerjob empfiehlt. Lauterbach kann das nicht, aber immerhin ist ihm möglich, den knallharten Anti-Seuchen-Kämpfer darzustellen. Wenn er etwas weniger nach streberhaftem Klassenprimus aussähe, wäre das einfacher, aber die Optik gerät angesichts der Radikalität der dargetanen Gedanken ins Hintertreffen. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung will der heldenhafte Kämpfer mal schnell außer Kraft setzen, um mit ordnungsbehördlichen Razzien verordnungswidrige Versammlungen in Privathaushalten aufdecken, unterbinden und natürlich ahnden zu können. Wenn Chief Lauterbach und sein SWAT-Team die erste Geburtstagsparty gesprengt, die Verbrecher festgenommen und mit vorgerecktem Kinn für die RTL 2-Kamera posiert haben, wird endlich der Durchbruch durch eine Wohnungstür (wenn auch nicht der bei der Seuchenbekämpfung) gelungen sein. Und dann wissen alle: Dieses Gehirn käst weiter. Damit ist nicht zu spaßen.

31. Oktober 2020

Der arme Karl Lauterbach! Vollkommen unschuldiges Opfer eines Shitstorms, den böse Menschen durch Falschzitate verursacht haben. Man habe dem Politiker Zitate schlicht angedichtet, schreibt Andrian Kreye voller Empörung auf Seite 15 der heutigen Südhessischen Zeitung. Nun sind laut ZDF (online) die wirklich gesprochenen Sätze jene: "Wir befinden uns in einer nationalen Notlage, die schlimmer als im Frühjahr werden kann. Die Unverletzbarkeit der Wohnung darf kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein. Wenn private Feiern in Wohnungen und Häusern die öffentliche Gesundheit und damit die Sicherheit gefährden, müssen die Behörden einschreiten können."  Herr Lauterbach hat inzwischen klargestellt, dass er nicht das Eintreten von Haus- und Wohnungstüren befürwortet. Die Polizisten sollen freundlicherweise klingeln. Nehmen wir nun an, sie haben das getan: Was, wenn der Wohnungsinhaber sie nicht freundlich hereinbittet sondern wegschickt? Dann war es das mit der Kontrolle. Kann also eigentlich nicht gemeint sein. Nur was, bitte, ist nun gemeint? Herr Kreye erkennt die Frage nicht, statt dessen wirbt er für „digitalen Seuchenschutz“. „All das, was der Datenschutz im Seuchenschutz gerade verhindert, funktioniert im Konsumwesen hervorragend. Nicht nur die Bestimmung von Ort und Identität, sondern auch von Kauf-, Wahl- und Leseverhalten.“  Nun ist mir nicht klar, inwieweit mein Handy über mein Wahlverhalten unterrichtet ist. Ebenso wie das Handy nicht meinen Aufenthaltsort kennt. Sondern nur den eigenen; sofern es eingeschaltet ist. Es gab mal Zeiten, da war das Wochenend-Feuilleton der Süddeutschen lesenwert.

1. November 2020

Die Landesregierung Baden-Württembergs weist Kritik an den von ihr verhängten Schließungen von Gaststätten und Kulturbetrieben von sich. Es seien ja laut Umfrage nur 12 Prozent der Einwohner, denen dies zu weit gehe, während 30 Prozent sich noch strengere Einschnitte wünschten. Tatsächlich ist die Sache vielleicht noch komplexer: Während der Sinn einiger Maßnahmen nicht so recht erkennbar ist, wird an anderer Stelle auf das dringend Gebotene verzichtet. Mir scheint beispielsweise die völlige Schließung von Museen blödsinnig, weil man dort in der Regel sehr gut Hygienekonzepte nicht nur ausarbeiten sondern auch umsetzen kann. In den Schulen ist das anders, und hier wäre vielleicht etwas mehr Sicherheitsdenken angebracht. Mit strenger oder weniger streng hat das nicht viel zu tun, eher mit einleuchtend oder nicht nachvollziehbar. Übrigens hat die Landesregierung auch eine 20 Seiten umfassende Begründung zu den wesentlichen Eckpunkten der Sechsten Änderungsverordnung veröffentlicht. Darin findet sich auf Seite 18 dies: „Die Einschränkung der höchstzulässigen Kundenzahl stellt im Vergleich zur Schließung dieser Einrichtungen, ein milderes, aber gleich wirksames und verhältnismäßiges Mittel dar.“  Das betrifft den Einzelhandel. Was dort ein „gleich wirksames Mittel“ ist, reicht bei Museen und Bibliotheken natürlich nicht aus. Mit Logik hat das eher nichts zu tun. Mit Symbolpolitik dagegen ziemlich viel.

7. November 2020

Immerhin hat die Präsidentschaftswahl in den USA und das peinliche Spektakel, das ihr folgte, vorübergehend die Seuche von Seite 1 der Zeitungen (oder zumindest aus der Hauptschlagzeile) verdrängt. Da Donald Trump auch vorher schon krank im Kopf war, lässt sich sein Verhalten auch ohne Bezug auf seine Corona-Infektion erklären, so dass die Verknüpfung beider Katastrophenthemen keinen Effekt gebracht hätte. In der aktuellen Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung findet man auf der Meinungsseite neben einem Kommentar von Kurt Kister zur Wahl in den USA auch einen von Henrike Rossbach zum aktuellen Stand des Umgangs vieler deutscher Politiker mit der Seuche: „Nicht nur das Chaos um die Beherbergungsverbote hat vieles kaputt gemacht, auch die Art, wie manche Mächtige die Bürger ansprechen. Zusammengefasst hat das die Linken-Politikerin Susanne Ferschl im Bundestag: ‚Und Onkel Söder erzählt uns jetzt, wenn wir alle schön brav sind, dürfen wir vielleicht Weihnachten feiern.‘“  Das bringt die Misere sehr treffend auf den Punkt.  

Dass so viele hierzulande sich gerne in die Rolle des Unmündigen fügen, ist durchaus nicht weniger erschreckend als die trotz allem so hohe Zahl der Trump-Wähler. Im Gegenteil: Auch wenn in der New York Times einige Autoren kurz davor sind, Mr. Biden zum Messias der amerikanischen Politik auszurufen, standen doch am 3. November zwei Übel zur Wahl, deren kleineres nur deshalb die Demokraten waren, weil die Republikaner von der verkommensten Figur der jüngeren amerikanischen Geschichte repräsentiert wurden. 

Im Mannheimer Morgen vom 7. November findet sich ein längeres Interview mit dem Ärztlichen Direktor des Universitätsklinikums, Hans-Jürgen Hennes. Man kann daraus immerhin etwas zur aktuellen Lage vor Ort erfahren. Gewünscht hätte ich mir allerdings ein paar Sätze dazu, wie das im Lauf des Jahres gesammelte Wissen über Covid-19 Fortschritte bei der weiteren Bekämpfung der Krankheit bringt. Denn auch das hat Henrike Rossbach in der SZ klargemacht: Es braucht statt des ständigen Alarmismus auch die Zuversicht, das Problem bewältigen zu können. Und zwar ohne ständig fortgeschriebene Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte.

15. November 2020

Donald Trump ist immer noch Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Karl Lauterbach tourt weiterhin durch die Talkshows und die aktuelle Infektionsstatistik wird einem in allen Nachrichtenmedien an prominenter Stelle mitgeteilt. Bezüglich der letzten Mittwoch begonnenen Fastnachtssaison 2021 gibt es zwischen den beteiligten Vereinen immerhin Unterschiede: Während manche unter Verweis auf die Regelung während der Weltkriege ihre Tätigkeit komplett einstellen, wollen andere sich wenigstens per Internet mit einem Programm präsentieren - weil in den freudlosen Corona-Zeiten erst recht Bedarf an Unterhaltung bestehe. Letzteres ist ohne Frage die bessere und menschenfreundlichere Lösung.

Dass auch hierzulande mit der Pandemie-Bekämpfung nebenbei eine Bürgerrechts-Bekämpfung stattfand (und -findet), ist nun zumindest gelegentlich auch Thema in der Süddeutschen Zeitung. Heribert Prantl kommentiert in der Ausgabe vom 14.11. das Versagen des Bundestags in erfreulich klaren Worten: „Der Bundestag hat es geduldet, dass per Verordnung Grundrechte auf- und zugedreht wurden –  gerade so, als hätte ein Grundrecht Armaturen wie ein Wasserhahn. […] Mit begründungslosen Verordnungen hat die Verwaltung die Versammlungs- und Religionsfreiheit aufgehoben, die Freizügigkeit abgeschaltet, gewerbliche Tätigkeiten massiv beeinträchtigt, das Recht auf Bildung und Erziehung verdünnt; alte und behinderte Menschen wurden nur noch unzureichend versorgt.“  Es wäre schön gewesen, wenn so deutliche Kritik bereits vor ein paar Monaten gekommen wäre, aber da haben viele kompetente Menschen sich mit Äußerungen zurückgehalten, wohl aus Furcht, in die Nähe der Idioten mit den Aluminiumhütchen zu geraten. Der Protest gegen Verletzungen von Bürgerrechten wird aber nicht dadurch ungerechtfertigt, dass er auch von Dummköpfen getragen wird.

Ab dem 16.11. gilt für die Mannheimer Krankenhäuser ein Besuchsverbot. Wenigstens dürfen in Einzelfällen und mit besonderer Genehmigung Sterbende und Schwerstkranke besucht werden. Nun kann es einem passieren, dass man einen schweren Unfall hat oder wegen eines Herzinfarkts per Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht wird. So etwas kommt plötzlich und unvorbereitet; sobald der Zustand des Patienten es zulässt, besteht erheblicher Kommunikationsbedarf.  Ohne die Möglichkeit eines Besuchs beschränkt sich alles aufs Telefonieren, was nicht nur für den Patienten sondern auch für dessen Angehörige belastend wird. Wenn an anderen Stellen, z.B. auf Flughäfen,  Corona-Schnelltests genutzt werden, um einen möglichst gefahrlosen Kontakt zu ermöglichen, sollte man erwarten können, dass sich eine vergleichbare Lösung auch bei Kliniken ermöglichen lässt. Vielleicht gibt es dafür, dass dies nicht so ist, Gründe. Dann wäre es gut, sie auch klar und verständlich zu benennen.

Die New York Times jubelt, weil der gewählte Präsident Biden für sein Beratungsgremium zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ausschließlich medizinische Experten benannt hat. Eine weltweit verbreitete Seuche ist aber weit mehr als nur ein medizinisches Problem, und nicht alles, was Biden anders macht als Trump, ist deshalb auch besser. Die Vorhersagbarkeit der Kommentare in dieser einst wirklich hervorragenden Zeitung ergibt schon ein ziemlich jämmerliches Bild.

30. November 2020

Die Infektionszahlen sind weiterhin hoch, die auf Kosten von Bürgerrechten verhängten Maßnahmen wirken zumindest nicht so viel wie erhofft, also muss mehr davon her. Die ausführlicher gewordenen Begründungen (wohl eine Folge der bisherigen Rechtsprechung) zu den ab 1. Dezember gültigen Verordnungen sind so unpräzise, dass Einwände mangels klar erkennbaren Ziels schwierig werden. Aus meiner Sicht ist das ein kommunikatives Desaster. Die Landesregierung setzt ihren Fleiß darein, möglichst viele Rechte einzuschränken und dabei möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Und sie verpflichtet alle Bürger - ohne ihrerseits verbindlich Aufgaben zu übernehmen, beispielsweise eine wöchentliche Berichtspflicht zum Stand der Wirksamkeit der verordneten Maßnahmen. Die Oberlehrerhaftigkeit einer von den Grünen geführten Landesregierung passt zum arroganten Umgangsstil, den ihre Repräsentanten gegenüber jenen pflegen, die sich nicht im Besitz intellektueller und moralischer Überlegenheit wähnen. Auf gleicher Ebene, Holzkopf auf Holzkopf, stoßen sie zusammen mit den Verschwörungstheoretikern, die ihre eigene Verbohrtheit als Beweis überzeugender Argumentation betrachten. Und was sagt dazu Karl Lauterbach?

6. Dezember 2020

Seit dem 4. Dezember gilt in Mannheim eine nächtliche Ausgangssperre, wobei als Nacht der Zeitraum von 21 Uhr bis 5 Uhr definiert ist. Begründet wird die Maßnahme mit den nach wie vor hohen Infektionsraten, die maßgeblich auf zu viele private Feiern zurückzuführen seien. Man müsse also die Partys unterbinden, wozu die Ausgangssperre ein geeignetes Mittel sei. Es erstaunt mich schon, dass abendliches Feiern derzeit so verbreitet sein soll. Außerdem frage ich mich, wie intensiv und in welcher Form die Einhaltung des Verbots kontrolliert wird. Schleicht jetzt die städtische Hilfspolizei nächtens durch die Straßen auf der Pirsch nach unerlaubt außerhäusig befindlichen Personen? Und wie steht es mit den Hundehaltern? Gassigehen ist ja erlaubt, aber auch in beliebiger Entfernung von der Wohnung? Tatsächlich sind die mir bekannt gewordenen Begründungen der Ausgangssperre für einen so weitgehenden Eingriff in Grundrechte völlig unzureichend.

„Es wird viel über Regeln geredet, aber es wird nicht erklärt, weshalb sie notwendig sind, warum sie von wem so getroffen werden, was die Abwägungsprozesse sind. Die Menschen werden wie Unmündige behandelt, denen man vorschreiben möchte, mit wie vielen Menschen sie Weihnachten feiern sollen.“  So in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Dezember 2020 die Ärztin und Kommunikationswissenschaftlerin Petra Dickmann zur aktuellen Situation in Deutschland.

Die gute Nachricht ist, dass in Erwartung der Zulassung, Herstellung und Verbreitung eines oder mehrerer Impfstoffe in Mannheim bereits ein Impfzentrum eingerichtet wird, das ab Mitte des Monats täglich von 7 Uhr bis 21 Uhr 120 Impfungen pro Stunde leisten soll. Ein Problem ist natürlich die Personalausstattung, weshalb beispielsweise die Hilfe von Ärzten im Ruhestand erwünscht ist. Wollen wir hoffen, dass es mit dem Impfen bald losgehen kann.

12. Dezember 2020

In Baden-Württemberg gilt seit gestern auch tagsüber eine Ausgangssperre, für die es allerdings Ausnahmen gibt. Man darf beispielsweise noch einkaufen gehen, und derzeit ist noch nicht erforderlich, dazu die Leere des häuslichen Kühlschranks nachzuweisen.

Dass alles furchtbar ist, wissen und merken alle, aber bei den Details wird es unübersichtlich. Der unvermeidliche Oberexperte Karl Lauterbach wird in der gedruckten Ausgabe der Süddeutschen Zeitung auf Seite 1 wie folgt zitiert: „Deutschland habe ‚die Kontrolle über die Pandemie verloren‘, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach…“ Auf SZ.de kann man am gleichen Tag lesen: „Hoffnung mache ihm, sagt Lauterbach, dass Deutschland aus dem exponentiellen Wachstum heraus sei. Man könne nun von einer stabilen Situation ausgehend die Fallzahlen drücken.“ Verlorene Kontrolle oder stabile Situation? Was denn nun? Dann kommt noch die Aussage, vor uns lägen die „mit Abstand schwierigsten“  Monate in der gesamten Pandemie. Impfungen? Unbedeutend. „Denn mit den bisherigen Impfstoff-Kandidaten würden bis März maximal fünf bis sechs Millionen Bundesbürger geimpft werden können, was keinen großen Unterschied in der Pandemie-Bekämpfung mache.“

„Schulen und Geschäfte müssten sofort schließen“, verkündet der Pandemie-Stratege (nach SZ.de). Nun ist das mit den Schulen doch wohl etwas komplizierter, und welche Geschäfte schließen sollen, verrät er uns auch nicht. Wahrscheinlich alle. Gerade jetzt vor Weihnachten führen die wegen der Ausgangssperre reduzierten Ladenöffnungszeiten und die Angst der Konsumenten vor kurzfristiger Schließung der Geschäfte wahrscheinlich zu mehr Gedränge in bzw. vor den Läden. Aber über Risiken und Nebenwirkungen der demonstrativen Entschlossenheit lässt sich mangels Packungsbeilage nichts erfahren.

19. Dezember 2020

Zumindest in der Mannheimer Luisenstraße ist es spätabends und nachts still wie auf dem Friedhof einer Geisterstadt. Und das wird anderswo in der Stadt ganz ähnlich sein. Aber die Zahlen der Neuinfizierten bleiben annähernd gleich bzw. sind an einigen Tagen weiter gestiegen. Weshalb der Oberbürgermeister mit der angeblich regelverletzenden Einwohnerschaft ganz und gar unzufrieden ist. Das findet sich so zumindest im städtischen Online-Report zur Corona-Pandemie vom 18. Dezember 2020. Am gleichen Tag steht auf Seite 15 der Süddeutschen Zeitung ein Artikel mit dem Titel „Von Schulschließung bis Kontaktbeschränkung. Was die Pandemie effektiv eindämmt.“  Diesem Artikel zufolge erschien in dem Magazin Science eine Untersuchung darüber, welche Maßnahmen zur Corona-Seuchenbekämpfung nach den bislang international gesammelten Erfahrungen erfolgreich waren – und welche eben nicht. Die SZ berichtet: „Skeptisch zeigen sich die Studienautoren gegenüber den in Spanien, Italien und neuerdings regional in Deutschland verordneten Ausgangsbeschränkungen. Da diese meist auf Geschäftsschließungen, Distanzunterricht und Veranstaltungsverbote folgten, bringe diese weitere Verschärfung kaum zusätzlichen Nutzen.“  Das war einerseits zu erwarten, aber es ist schön, wenn es jetzt wissenschaftlich nachgewiesen ist. „Womöglich hat oftmals politischer Aktivismus und nicht wissenschaftliche Stringenz die Regierungen zu ihren Maßnahmen veranlasst. Man tut etwas, um überhaupt etwas zu tun. Gelegentlich schien das Motto zu gelten: Wir ordnen an, was bisher schon wenig gebracht hat – aber davon die doppelte Dosis.“ So ist es wohl, und statt die inzwischen rund um den Globus gesammelten Erfahrungen mit der Bekämpfung von Covid-19 in zielgenaue Maßnahmen umzusetzen, posieren Gestalten wie der Bayerische Ministerpräsident Söder als harte Kämpfer an der Virenfront, wobei die Härte sich mangels Treffgenauigkeit der Geschosse eher gegen die Menschen als gegen die Viren richtet. Wenn dies bei der bevormundeten Wählerschaft zum Verlust des Vertrauens in die politischen Akteure führt, kann man ja immer noch die „Querdenker“-Schwachköpfe verantwortlich machen. Wie gut, wenn es nützliche Idioten gibt.

Und was macht Karl Lauterbach? Er liest gleichfalls die Süddeutsche Zeitung vom 18. Dezember 2020 und findet sich dort auf Seite 4 in einem Kommentar mit der Überschrift „Land der Einsamen“ erwähnt. Und zwar als „der Gesundheitsvisionär Karl Lauterbach (SPD)“.  Was veranlasste den Autor, Boris Herrmann, zu dieser Titulierung? Es geht darum, dass gerade (aus gegebenem Anlass) der gesundheitsschädliche Einfluss chronischer Einsamkeit zum Thema politischer Überlegungen geworden ist. Die CDU will dem Problem mit der Bestellung eines „Einsamkeitsbeauftragten“ begegnen. Doch, so die SZ, diese gnadenlos brillante Forderung hatte 2018 bereits Karl Lauterbach gestellt. Andererseits haben CDU/CSU und SPD mit ihrer Politik in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, dass sich die Vereinsamung in der Gesellschaft ausbreitet. „Der nach Aufmerksamkeit gierende Begriff eines Einsamkeitsbeauftragten verstellt den Blick auf die Ursachen der sozialen Isolation“, schließt der Kommentar.

Gleichzeitig soziale Kontakte massiv einzuschränken und dann einen „Einsamkeitsbeauftragten“ zu beauftragen – irrsinniger geht es wohl nicht mehr. Gehören Menschen, die dies vertreten, in Parlamente oder in die forensische Psychiatrie? Es geht zum Glück auch anders. Der Mannheimer Morgen veröffentlichte am 12. Dezember 2020 ein Interview mit Johannes Pantel, Leiter des Bereichs Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie der Uni Frankfurt. Es ging um Verwandtenbesuche an Weihnachten. Ein Auszug: „Angesichts steigender Infektionszahlen – wäre es nicht besser, auf Besuche möglichst zu verzichten? Ich hätte meine Zweifel, ob das tatsächlich die Wirkung haben wird, die man sich davon verspricht. Nach dem, was wir bis jetzt erlebt haben, ist das nur eine Hypothese oder eine Spekulation. Auch beim Beschluss des Teil-Lockdowns, in dem wir uns gerade befinden, wurde uns erklärt, dass nur so die Welle, das kontinuierliche Ansteigen der Infektionszahlen, gebrochen werden könne. Einige Wochen später wissen wir, dass das nicht gelungen ist.  Pantel verschweigt keine Risiken, aber er empfiehlt, damit rational umzugehen. Es wäre gut, wenn in der Öffentlichkeit nicht so häufig allein die apokalyptischen Drachenreiter zu sehen wären.

27. Dezember 2020

Der 4. Advent (20. Dezember) brachte neue apokalyptische Sensationen. Premierminister Boris Johnson informierte die Öffentlichkeit, dass sich im UK eine Mutation des Coronavirus verbreitet, die um ein Vielfaches ansteckender ist als die bislang vorherrschende Variante. Panik allerorten, Sperrung der Grenzen für Einreisende aus Britannien, der Eselreiter der Apokalypse Karl Lauterbach ruft zur Buße auf oder irgend sowas, jedenfalls kommt in den Pressemeldungen sein Name zusammen mit dem Wort Katastrophe vor, was irgendwie weder ganz unpassend noch neu ist. Einen Tag später bringt der Deutschlandfunk in den stündlichen Nachrichtensendungen ein O-Ton-Zitat unseres obersten Pandemieverstehers Christian Drosten, der die fragliche Virusmutation gar nicht so neu findet und auch keinen Grund zur Panik erkennen kann. Wiederum einen Tag später schiebt er dann quasi als Klarstellung nach, dass die Sache natürlich sehr unerfreulich sei und es gründlicher Beschäftigung mit ihr bedürfe. Was sonst?

Für Weihnachten wurde von den nationalen Pandemiebekämpfern empfohlen, sich vor dem Besuch von älteren Freunden oder Verwandten auf Coronaviren testen zu lassen. Woraufhin in Mannheim (aber sicher nicht nur hier) die vor Ort zuständigen Stellen per Presse darum baten, sie mit Anrufen zu verschonen, denn sie hätten weder Testkits noch das erforderliche Personal, um symptomfreie Personen zu testen.

Aber immerhin soll es ja in den nächsten Tagen mit dem Impfen losgehen. Welch ein Akt für alle an der Organisation Beteiligten. Bei der Größe des Vorhabens ist unmöglich, dass keine Pannen passieren. Möge sich deren Zahl und Wirkung in Grenzen halten.

6. Januar 2021

Es gab schon erfreulichere Jahresanfänge, aber das Verbot des Verkaufs von Feuerwerkskörpern war eine Freiheitsbeschränkung, die ich problemlos hinnehmen konnte. Aber ich bin da vermutlich nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

Wichtiger sind andere Freiheiten, mit denen die Regierungen weiterhin umgehen, als stünden Grundrechte unter dem Vorbehalt, dass sie einfallslose Politiker nicht bei symbolischen Aktionen stören. Bundestagspräsident Schäuble hat darauf hingewiesen, dass der nach den Bestimmungen des Grundgesetzes höchste Wert, dem politisches Handeln verpflichtet sein muss, die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist. Sie steht noch über dem Schutz des Lebens. Klingt zunächst unsinnig, denn ohne zu leben, hat man von der schönen Menschenwürde nichts. Aber es stimmt und hat auch Sinn.

Nach der Logik unserer regierungsamtlichen Seuchenbekämpfer ist jegliches Zusammenkommen von Menschen zu vermeiden. Das ist in dieser Form Irrsinn, hat aber insoweit Methode, als es dem harten Durchgreifen den Vorrang vor dem schlüssigen Durchdenken einräumt. Ganz und gar bescheuert ist die gestern beschlossene Regel, in besonders betroffenen Gebieten (Inzidenzwert >200) die Bewegungsfreiheit auf einen Umkreis von 15 Kilometern zu beschränken. Als erhöhe sich die Infektionsgefahr mit der Entfernung von der Wohnung. In Baden-Württemberg ist diese Vorschrift derzeit noch nicht in Kraft; man „beobachtet“ noch. Trotzdem: Wie blöde darf man eigentlich sein, um in Deutschland einer Regierung angehören zu können?

Freilich bringt dieser Schwachsinn Applaus von vielen Wählern. Laut Umfragen ist die große Mehrheit der Bevölkerung mit den bestehenden Regeln einverstanden bzw. möchte noch weitere Freiheitsbeschränkungen. Allen voran die Wähler der Grünen. Leute, die einen funktionierenden Verstand haben, sehen das eventuell anders. An Silvester brachte die Süddeutsche Zeitung auf Seite 6 ein Interview mit dem an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrenden Verfassungsrechtler Christoph Möllers. Auszug:

Auch in jüngster Zeit werden wieder Verbote ausgesprochen. Welche rechtsstaatlichen Kosten sind damit verbunden?  Das Verlernen von Dissens in der Öffentlichkeit und von körperlicher Präsenz auf der Straße. Man kann eine Gesellschaft auch anästhesieren, indem man sagt, eigentlich gilt Versammlungsfreiheit, aber gerade jetzt dürft ihr nicht demonstrieren. Die ‚Querdenker‘-Demos als Zeichen einer gesunden Demokratie?  Wenn man all die Aluhüte und Corona-Leugner sieht, spricht man das ungern aus. Aber mir wäre die Vorstellung fast noch bedrückender, die Freiheit würde eingeschränkt und niemand protestierte dagegen. Deshalb sollten wir die Tatsache, dass die Menschen immer noch auf die Straße gehen, nicht nur als Problem abtun.“

Heribert Prantl hat in einem heute bei SZ Online veröffentlichten Videokommentar auch die totale Hoffnungslosigkeit der Politik bemängelt. Hier in Mannheim gehört dazu beispielsweise, dass in dem vorhandenen Impfzentrum nur 25 % der Kapazitäten genutzt werden können, weil einfach nicht mehr Impfstoff verfügbar ist. Wenn es bei dem gegenwärtigen Tempo bliebe, würde es Jahre dauern, bis wenigstens eine Impfquote von 60 % erreicht würde.

Natürlich gelten auch in Baden-Württemberg die absurden Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Geschäften bzw. Betriebsbereichen:  Wenn mein Auto kaputt wäre, könnte ich es reparieren lassen, denn die Autowerkstätten und „Einzelteilverkaufsstätten“  dürfen geöffnet bleiben. Sollte ich aber ein neues Auto brauchen, hätte ich Pech gehabt, denn der Verkauf ist geschlossen. Möbelgeschäfte und Baumärkte dürfen ebenfalls nicht öffnen. Ebenso Händler für Elektrogeräte. Wobei es da wenigstens den Online-Handel gibt. Dessen Größenwachstum ist weder ökonomisch noch ökologisch erwünscht, aber irgendwoher müssen die Verbraucher ja beispielsweise einen neuen Spiegelschrank fürs Badezimmer kaufen können.

Und was sagt Karl Lauterbach? Laut einer Überschrift spricht er sich für einen unbeschränkten Lockdown aus. Ich habe den Artikel nicht gelesen und vermute ein Missverständnis. So krank im Hirn kann schließlich auch Herr Lauterbach nicht sein.

25. Januar 2021

In Groß Britannien wütet eine wahrscheinlich besonders ansteckende Version des Virus (so genau weiß man das nicht), hier in Deutschland wurde wieder mal der Lockdown verlängert, die Hersteller der Impfstoffe haben angekündigt, die vertraglich vereinbarten Liefermengen zu unterschreiten, die Schulen bleiben noch bis Ende Januar geschlossen, um dann vielleicht, vielleicht aber auch nicht (oder zumindest nicht vollständig) geöffnet zu werden. Die Bundeskanzlerin ist ungehalten, dass ihre Untertanen nicht alle glücklich sind mit ihrer Wurschtelei. Gelegentlich wird sogar in der Süddeutschen Zeitung verzeichnet, dass es ganz schön wäre, wenn man hinter dem, was die Regierungen tun, Sinn und Logik erkennen könnte.

Vor einer Woche, am 18. Januar, war ich in Heppenheim, um jemandem ein ausgeliehenes Manuskript zurückzugeben. Ich wollte es eigentlich nur an der Haustür abgeben, bin dann aber auf Bitte des Betreffenden mit in die Wohnung gekommen, wo er mir erzählte, dass er dank Fahrdienst des Roten Kreuzes mehrmals pro Woche in einer Altentagesstätte mit anderen Menschen der Altersgruppe 80+ zusammenkomme. Geimpft sind sie alle noch nicht. Ob wenigstens regelmäßig getestet, weiß ich nicht.

Dem Mannheimer Morgen konnte ich entnehmen, dass die städtischen Verantwortlichen dabei sind, die Ausstattung der Wahllokale für die Landtagswahl im März vorzubereiten. Es soll alles so organisiert werden, dass durch die derzeit üblichen Hygienemaßnahmen (Maskenpflicht, Mindestabstände, Desinfektionsmittel) sowie den Verzicht auf bereitgestellte Schreibstifte (die Wähler müssen ihr eigenes Schreibgerät mitbringen) alles ganz sicher ablaufen kann. Warum man nicht rechtzeitig den ganzen Akt auf Briefwahl umgestellt hat, ist mir ein Rätsel.

Aus den Reihen der CDU Bundestagsfraktion kommt der Vorschlag, den stationären Einzelhandel durch eine Art Paketabgabe auf Lieferungen von Online-Händlern zu stärken. Daraus spricht viel Klugheit. Vielleicht wäre es für die Ladengeschäfte in den Städten aber hilfreicher, wenn sie wieder öffnen dürften.

8. Februar 2021

Am 5. Februar hat der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim die derzeit im Land geltende nächtliche Ausgangssperre aufgehoben. Die Richter haben festgestellt, dass sich die bei Erlass der Freiheitsbeschränkungen gegebenen und diese begründenden Umstände (Inzidenzwerte usw.) erheblich verändert haben, womit die Voraussetzung des Eingriffs in Bürgerrechte und damit die Rechtmäßigkeit fortgefallen sind. Es sei auch Aufgabe des Verordnungsgebers, eventuell weniger schwere Eingriffe (z.B. Beschränkungen nur in bestimmten Landkreisen mit besonderen Infektionsschwerpunkten) zu prüfen. Das Urteil (über das derzeit nur eine Pressemitteilung vorliegt) enthält insoweit keine sensationell neuen und überraschenden Rechtsauffassungen. Das hätte so auch ein Jura-Student in einer Klausur schreiben können ohne aufzufallen. Ein Skandal ist freilich, dass im Justizministerium und der Staatskanzlei des Landes Baden-Württemberg keiner genug Respekt vor Bürgerrechten hat, um an dieser Stelle gesetzeskonform zu handeln. Das Gericht hat die Wirksamkeit des Spruchs erst ab 11. Februar angeordnet, was der Landesregierung ein paar Tage Zeit lässt, sich eventuell eine rechtlich vertretbare Ersatzregelung einfallen zu lassen.

Den Umfragen zufolge ist die Zufriedenheit des Staatsvolks mit seinen Regierungen bereits deutlich gesunken. Damit sinken aber nicht nur die bei den anstehenden Wahlen zu erwartenden Ergebnisse, es sinkt auch das Vertrauen in das Bemühen der Mandatsträger, eine angemessene Balance zwischen Seuchenschutz und bürgerlicher Freiheit zu finden. Längst hat eine Gewöhnung an die begründungsarme Bevormundung des eigentlichen Souveräns stattgefunden. In den Kabinetten wird diskutiert, ob und in welchem Maß „Lockerungen“ zugelassen werden können. Rechtsstaatlich geboten wäre es, darüber zu diskutieren, in welchem Umfang Einschränkungen von Bürgerrechten weiterhin unvermeidbar erscheinen, und dies ausführlich und nachvollziehbar begründet mitzuteilen. Dass die Politiker unter extremem Stress stehen, ist eine Tatsache, aber zur Achtung des Rechts haben sie sich per Amtseid verpflichtet. Und zwar freiwillig.

Was derweil Karl Lauterbach sagt, will ich lieber gar nicht wissen. Unter den Virologen gibt es einige, die durch mittlerweile auch in Deutschland nachgewiesene Coronavirus-Mutationen die Wirksamkeit der ohnedies bis jetzt nur in lächerlich geringem Umfang erfolgenden Impfungen in Frage gestellt sehen. Nun war nach den Erfahrungen mit Maskentragen und Händewaschen im Sommer letzten Jahres Konsens gewesen, dass einfache Hygienemaßnahmen zwar keinen hundertprozentigen Schutz bieten, dass im Zweifel aber 50 Prozent besser sind als nichts. Weshalb die anfänglich als ohnedies nutzlos abgetanen „Alltagsmasken“ dann für unverzichtbar erklärt wurden. Ähnlich wird jeden Herbst für die Grippeimpfung damit geworben, dass zwar noch keiner wisse, ob tatsächlich die Erreger, gegen die geimpft werden kann, das größte Problem darstellen (denn Grippeviren gibt es in unzähligen Mutationen), aber selbst wenn nicht, könne die Impfung nützlich sein. Eventuell werde durch die Aktivierung des Immunsystems zumindest ein milderer Krankheitsverlauf erreicht. Und jetzt stellen die Mutationen beim Corona-Virus das Impfen in Frage? Das zu verstehen, muss man vermutlich Virologe sein. Oder Gesundheitspolitiker.

19. Februar 2021

Vorige Woche haben die versammelten Regierungen beschlossen, die unter Verweis auf die Corona-Seuche verhängten Maßnahmen nochmals zu verlängern und insoweit zu verschärfen, als nun statt des Inzidenzwerts 50 das Ziel von maximal 35 Infizierten pro Woche auf 100.000 Personen angestrebt wird. Eine Begründung gab es zunächst nicht; Tage später kam dann der Verweis auf die Unberechenbarkeit der Virusmutationen.

In Baden-Württemberg wurde verordnet, dass die nächtliche Ausgangssperre in Ausführung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben wird, allerdings nur für Kreise mit einer Inzidenzzahl unter 50. Das ist der niedrigste Wert unter den Bundesländern; der Ministerpräsident will angesichts der in wenigen Wochen bevorstehenden Landtagswahl offenbar noch einmal zeigen, was für ein knallharter Seuchenbekämpfer er ist.

Das Vorgehen der Regierungen ist also weiterhin geprägt von Arroganz und weitgehender Gleichgültigkeit gegenüber den Bürgerrechten. „Begründungspflichtig ist die Anordnung von Einschränkungen und nicht deren Lockerung. […] Grundrechtseingriffe müssen immer verhältnismäßig und gut begründet sein.“ Diese Weisheiten soll Bundesjustizministerin Christine Lambrecht der Augsburger Allgemeinen erzählt haben. Offenbar hat ihr jemand ein Grundgesetz geschenkt (weil man das einzige im Ministerium vorhandene Exemplar nicht mehr finden konnte). Gut so. Hat ja nur ein Jahr gedauert, bis ein Regierungsmitglied so weit gekommen ist.

Noch peinlicher als manche Politikerleistung sind die Auslassungen mancher „Experten“. Es soll Virologen geben, die für einen noch strikteren und längeren Lockdown plädieren, um das Coronavirus auf diesem Weg auszurotten. Nun ist Deutschland nicht allein auf der Welt, und ein gewisser Austausch mit all denen, die nicht im Geltungsbereich unseres Grundgesetzes leben, wird sich auch zukünftig nicht verhindern lassen. Das allein macht die Virusausrottung ziemlich schwierig. Kommt noch hinzu, dass Coronaviren nach jetzigem Kenntnisstand von Tieren auf die Menschen übergegangen sind. Und Krankheitserreger, die auch in Tierpopulationen existieren, lassen sich praktisch nicht ausrotten. Das ist nach meiner Kenntnis epidemiologisches Grundwissen (und auch für Laien wie mich nicht besonders schwer nachvollziehbar).

Wenn es mit dem Impfen so schnell ginge wie mit dem Stusserzählen, wäre die Krankheit zwar nicht verschwunden, aber doch erheblich weniger erfolgreich im Umbringen von Menschen. Aber immerhin geht es vorwärts.

1. März 2021

Ab heute dürfen Gärtner und Friseure wieder ihre Läden öffnen, es dürfen wieder mehr Schüler das genießen, was jetzt „Präsenzunterricht“ heißt, aber viel mehr Veränderung ist nicht zu bemerken. Die dauerbesorgten Damen und Herren sind weiterhin besorgt, die Impfungen sind noch immer ziemlich rar, aber immerhin hat die Stadt Mannheim es innerhalb von nur zwei Monaten geschafft, alle Einwohner der Altersgruppe 80+ anzuschreiben und zur Impfung einzuladen. Wenn es bei diesem Tempo bleibt (und verschickte Einladungen bedeuten ja noch nicht erfolgte Impfungen), wird tatsächlich bis Spätsommer jeder Interessierte eine Impfmöglichkeit bekommen haben. Es wird allerdings der Spätsommer 2025 sein, nicht 2021.

Am Düsseldorfer Rheinufer gibt es seit letztem Wochenende eine „Verweilverbotszone“. Die Vorstellung, man dürfe auf einem Gehweg bei Einhaltung der gebotenen Mindestabstände auch einmal stehenbleiben, ist nicht zeitgemäß. Während die Rechten in den USA noch nicht so ganz glauben, dass ihre politischen Gegner keine Kinder schlachten und auffressen, leiden die deutschen Bedenkenhabenden unter argen Zweifeln daran, dass für menschliches Leben noch anderes als Freiheit vom Coronavirus einen Wert haben könnte.

Schon vor zwei Wochen haben die Berliner Amtsärzte gefordert, das bisherige Konzept der Seuchenbekämpfung in wesentlichen Punkten zu ändern. Insbesondere beanstanden sie das Festhalten am Wert der 7-Tage-Inzidenz als dem maßgeblichen Indikator für die lokale Situation und damit die Notwendigkeit von spezifischen Maßnahmen. Gerade mit Blick auf die generell gestiegene, regional differierende Testquote ist klar, dass Inzidenzzahlen keine validen Vergleichswerte darstellen. Dieser Einwand ist so simpel wie zutreffend – und, sofern man überhaupt noch rationale Argumente gegenüber Befindlichkeitssymbolik bevorzugt, zwingend. Es sind ja auch nicht nur die Berliner Amtsärzte, die noch geradeaus denken können. Aber wir wissen ja, wer das Sagen hat. Angefangen beim Immerdasgleichesagen in der Talkshow. Was Herr Lauterbach gerade tut? Er ist natürlich besorgt und lässt das jeden wissen, der nicht schnell genug außer Hörweite ist. Da braucht es keine Verweilverbotszone.

15. März 2021 

Gerade eine Woche ist es her, dass die Mannheimer Kunsthalle und die Museen die frohe Botschaft verschickten, ab dem folgenden Tag, dem 9. März, wieder geöffnet zu haben. Man müsse den Besuch vorher online für einen bestimmten 2-Stunden-Zeitraum buchen, damit die Zahl der gleichzeitig anwesenden Personen gesteuert werden könne. Zudem würden die Telefonnummer registriert. Das klappte ganz gut, und ich war am 11. März ab 13 Uhr in der Kunsthalle. Für Brillenträger ist es nicht so begeisternd, mit Maske und Sehhilfe die Ausstellung zu betrachten, aber immerhin geht es – und es sind ja nicht alle auf Brillen angewiesen.

Es erwies sich als klug, die nächstmögliche Gelegenheit für den Kunsthallenbesuch zu nutzen, denn schon ist wieder alles vorbei. Der berühmte, alles entscheidende Inzidenzwert lag in Mannheim mehr als drei aufeinander folgende Tage über 100, also wird wieder (fast) alles dicht gemacht. Der Anstieg der Infektionszahlen wurde nicht anders erwartet; die nun wieder in Kraft getretenen Vorschriften sind teilweise schlichtweg schwachsinnig; mit dem Impfen geht es weiterhin nur im Schneckentempo voran. Die Stadt Mannheim hat auf ihrer Homepage der Bekanntmachung eine Erklärung des Oberbürgermeisters angefügt:

Gemäß der Rechtsverordnung des Landes hat das Gesundheitsamt die Überschreitung der Grenze von 100 beim Inzidenzwert der Stadt Mannheim per Allgemeinverfügung festgestellt. Die mit der Feststellung des Inzidenzwertes in § 20 Abs. 5 der Rechtsverordnung des Landes bestimmten Rechtsfolgen gelten gemäß § 20 Abs. 7 CoronaVO ab Dienstag, dem 16.03.2021.

Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz fordert eine Anpassung der Regelungssystematik: „Der leider erwartbare Verlauf hat gleich in mehrfacher Hinsicht gezeigt, dass die Regelungen des Landes anzupassen sind: Neben den Einschränkungen selbst, ist die ungleiche Behandlung ähnlicher Angebote und die Verzerrung des Wettbewerbs eine besondere Belastung für die betroffenen Unternehmen. Alle körpernahen Dienstleistungen sollten gleich behandelt werden und die Regelungen für Handel und Dienstleistungen sollten im Wesentlichen landesweit gelten. Die kreisscharfen Regelungen nach Inzidenz führen zu sehr kurzfristig unterschiedlichen Regelungen und sind durch die ausgelösten Kundenströme auch epidemiologisch nicht sinnvoll!“

Das ist der Stand der Dinge.

16. März 2021

Am gestrigen Abend wurde von Bundesgesundheitsminister Spahn verkündet, dass in Deutschland der Impfstoff des Herstellers Astrazeneca bis auf weiteres nicht mehr verwendet wird. Es besteht der Verdacht, dass sich bei einigen wenigen der Geimpften aufgetretene Embolien auf das Vakzin zurückgeführt werden können. Ähnliche Entscheidungen haben die Gesundheitsbehörden einiger anderer Staaten getroffen. Von Vertretern der Ärzteschaft wurde das Vorgehen kritisiert. Auch der Oberpandemiker Karl Lauterbach äußerte in einer ersten Stellungnahme Kritik. Was der Öffentlichkeit bis jetzt an Daten zugänglich gemacht wurde, lässt das amtliche Vorgehen tatsächlich nicht hinreichend begründet erscheinen.

Die Süddeutsche Zeitung (online) hat heute einen etwas pompös als Essay bezeichneten Beitrag von Mareen Linnartz veröffentlicht, in dem – spät aber immerhin – die hoheitlich herablassende Art der Kommunikation, die unsere Politiker in Corona-Angelegenheiten pflegen, problematisiert wird. Kleiner Auszug: „Die zermürbende Kombination aus Kleinkind-Kommunikation und einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber dem Bürger zeigt sich idealtypisch in der Sichtweise auf die Schnell- und die Selbsttests, bei der es vor allem darum ging, was dabei alles schiefgehen könne. Auf keinen Fall dürfe man sich da vorschnell "in Sicherheit wiegen" (Jens Spahn). Im Nachbarland Österreich wird schon achtjährigen Schülern und Schülerinnen seit Wochen zugetraut, sich selbst ein Wattestäbchen in die Nase zu stecken, die Anwendung und Auswertung ist nämlich ähnlich kompliziert (oder eben gerade nicht) wie bei einem Schwangerschaftstest.“  Wie schön, dass die Zahl derer, die inzwischen von der ewigen Bevormundung genug haben, wächst; aber vielleicht ist das auch nur meine von Wunschdenken getrübte Wahrnehmung.

 24. März 2021

Gestern wurde den Untertanen vom Rat der Höheren Weisheit (früher: Ministerpräsidentenkonferenz plus Bundeskanzlerin) nach einer ab Montag, 14 Uhr, ungefähr zwölf Stunden dauernden Online-Besprechung verkündet: Der Lockdown wird bis Mitte April verlängert (ehrlicherweise sollte man sagen: mindestens bis Mitte April), kurzfristig wird von Gründonnerstag bis Ostermontag eine „Osterruhe“ verhängt, während der alles geschlossen bleibt (Ausnahme: am Ostersamstag dürfen Lebensmittelgeschäfte öffnen). Mit österlichen Familienbesuchen soll es nichts werden, die Konfessionsgemeinschaften sollen auch auf Gottesdienste verzichten bzw. sich auf Online-Angebote beschränken.

Die Beschlüsse, insbesondere zur verordneten „Osterruhe“, verursachen heftige Reaktionen, nicht zuletzt bei der Wirtschaft. Während die Klagen über brechende Lieferketten nicht völlig unsinnig, im Zweifel aber etwas übertrieben erscheinen, ist die Frage, welche (tarif-/steuer-/verkehrs- usw.)rechtliche Stellung ein so verordneter Ruhetag haben soll, völlig ungeklärt. Dass ausgerechnet die CDU den Kirchen nahelegt, an den höchsten christlichen Feiertagen auf Gottesdienste zu verzichten, ist eine Bankrotterklärung. In diesen Zeiten großer Not haben viele Kirchenvertreter schon von sich aus vorgeführt, dass sie sich mehr als Beamte in einem Apparat und weniger als „gute Hirten“ verstehen. Aber vielleicht hat das ja auch die führenden christdemokratischen Politiker davon überzeugt, dass es denen auf Gottesdienste an Ostern nun auch nicht ankommen wird. Was sicher auch so wäre, gäbe es nicht diese schwer anpassungsfähige Basis.

Heute, einen Tag später, ist die Sache mit der langen „Osterruhe“ gekippt. Kurz nach 11 Uhr vormittags ließ die Kanzlerin mitteilen, dass sie die Sache abgeblasen hat und um 12 Uhr dazu eine Erklärung abgeben wird. Die bestand dann darin, dass sie uns wissen ließ, die Sache sei in mehrfacher Hinsicht schwieriger als gedacht. Es sei „qua Amt“ ihr Fehler, den sie zu entschuldigen bitte. Es ist allerdings auch der Fehler der Ministerpräsidenten und -innen. Und es ist ein Desaster. Genauso wie z.B. die Lockdown-Bestimmungen, die Urlaub im Wohnmobil oder einer Ferienwohnung verbieten, den Trip nach Mallorca aber zulassen.

Nicht ganz verständlich ist mir auch, um das Thema erneut aufzugreifen, weshalb ich ein hessisches Museum besuchen kann (natürlich mit genauer Terminanmeldung), ein baden-württembergisches aber nicht. Heute war ich im Städel, wo an einem Mittwoch um 11 Uhr erstaunlich viele Menschen Kunst betrachtet haben. Und eine der Betrachterinnen hat doch ausgiebiger gehustet und geschnieft als ich akzeptabel fand. Aber das ist ein Problem der Organisation – bei Bedarf auch zur Korrektur individuellen Fehlverhaltens. Denn die Regeln sind klar. Man muss sie halt anwenden.

Zu den wenigen Gründen, so viel Geld für ein Abonnement der Süddeutschen Zeitung auszugeben, gehört das Privileg, mehr oder minder regelmäßig eine E-Mail zu bekommen, in der unter dem Titel „Deutscher Alltag“ die neuesten Weltbetrachtungen von Kurt Kister zu finden sind (früher Chefredakteur und jetzt Kolumnist der SZ). Heute empört sich Herr Kister über die andauernde Nörgelei hierzulande, und bekundet sein fortgesetztes Vertrauen in die Weisheit der herrschenden Anticorona-Politik. Das ist bei einem so gescheiten Mann schon erschütternd. Denn die Nörgelei speist sich ja ganz wesentlich daraus, dass politische Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind. Nicht nur dass sie unerfreulich sind. Sie sind in Teilen kompletter Unfug. Was sich mittlerweile auch bis zu manchen Kommentatoren der Süddeutschen Zeitung  herumgesprochen hat. Von Bundestagsabgeordneten ganz abgesehen. 2019 hätte Kurt Kister mit seinem grundsätzlichen Nörgeln übers Nörgeln in Deutschland noch recht gehabt. Im März 2021 nicht.

 4. April 2021

Ostern. Der Bundespräsident hat eine Rede gehalten, in der er erwähnt hat, wie mäßig begeistert viele Einwohner dieses Landes über die vorherrschende Coronaseuchen-Politik sind. Und welche Gründe es dafür gibt. Diese zu ignorieren, hätte das Staatsoberhaupt noch weltfremder dastehen lassen, als es bei diversen anderen Gelegenheiten schon geschehen ist (wobei zuzugeben ist: salbungsvolles Schwafeln gehört zu den Dienstpflichten von Bundespräsidenten). Und natürlich unterlässt das Staatsoberhaupt nicht, alle zu weiterem opferbereiten Ausharren in den von oben verhängten Einschränkungen aufzurufen. Aber er ruft auch die Politiker auf, ihre Arbeit zu machen. In der Kommentierung dieser Ansprache vertritt Nico Fried in der Süddeutschen Zeitung die Auffassung, Herr Steinmeier sei damit an der Grenze zum Populismus gelandet. Sowas geht offenbar sehr schnell. Mit dem Populismusverdacht infiziert man sich ähnlich schnell wie mit dem scheiß Coronavirus. Vielleicht sollte die Bundesregierung erwägen, die Stelle eines Antipopulismusbeauftragten einzurichten.

 6. April 2021

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von heute schreibt Heike Schmoll unter dem Titel „Leben retten“  auf Seite 10:

„Der Appell an die Eigenverantwortung der Bürger verfängt nicht mehr, weil sie alle in den vergangenen Monaten zunehmend einen paternalistischen Staat kennenlernten, der ihnen allen Appellen an die Vernunft und Rücksicht zum Trotz eigentlich nichts zutraute. Ausgangssperren, zuletzt in der naturwissenschaftlichen Zeitschrift ‚The Lancet‘ als geradezu archaisch-ungeeignetes Mittel der Pandemiebekämpfung beschrieben, das Beherbergungsverbot, der 15-Kilometer-Radius sind nur einige Stichworte dafür. Viele fühlen sich geradezu entmündigt. Inzwischen herrscht in vielen gesellschaftlichen Segmenten das reine Misstrauen.“

Die Herausforderungen, denen sich die Politiker derzeit gegenübersehen, sind enorm. Sie lassen sich garantiert nicht bewältigen, wenn man sich an den Mustern des Kaiserreichs orientiert.

 9. April 2021

Heute unterrichtet WEB.DE seine Kunden, dass Günther Jauch sich mit dem Coronavirus infiziert hat und deshalb seine Mitwirkung an irgendeiner Sendung absagen musste. Soweit nicht besonders interessant, aber nebenbei erfährt man noch, dass Jauch an einer Werbekampagne mit vielen Prominenten (?) teilnehmen sollte, um für die Impfung zu werben. Richtig: Für die Impfung, die für Millionen von Menschen, die sie gern bekämen, nicht zu haben ist, weil es an Impfstoffen und/oder Personal fehlt. Ganz logisch, dass man da werben muss. Andernfalls könnte sich ja der Eindruck verbreiten, man werde nicht von Vollidioten regiert. Und an dieser Stelle kann nun wirklich niemand erwarten, dass die extrem schwierige und außergewöhnliche Lage als Ursache für die Fehlleistung akzeptiert wird.

Von mir erst verspätet wahrgenommen, war am 5. April in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ein Kommentar von Heribert Prantl erschienen. Unter der Überschrift „Lob der Kritik“  steht da: „Kritik an den Corona-Maßnahmen ist notwendig, weil sie gewährleistet, dass während eines Lockdowns die Demokratie lebendig bleibt. Kritik ist heilsam, weil sie die Regierung zwingt, ihre Maßnahmen besser zu prüfen und besser zu begründen. Kritik ist wichtig, weil auch die Not Gebote kennt und diese Gebote beachtet werden müssen. Kritik kann zukunftsweisend sein, weil es das Ziel aller grundrechtseinschränkenden Maßnahmen sein muss, diese Maßnahmen möglichst schnell wieder überflüssig zu machen – und das bei der Mobilmachung der Exekutive gegen das Virus nicht vergessen werden darf. Wenn Kritiker einfach deswegen als Feinde der Demokratie oder schlicht als Dummköpfe und Störer betrachtet werden, weil sie einzelne Maßnahmen der Corona-Bekämpfung kritisieren, dann gefährdet das die Demokratie.“

13. Mai 2021

Heute ist wieder das Gesicht von Karl Lauterbach im Nachrichtenportal von WEB.DE zu sehen – was also hat sich in all den Wochen und Monaten geändert? Wir haben etwas, das lächerlicherweise „Bundes-Notbremse“ genannt wird und bei Erreichen einiger willkürlich gewählter Inzidenzwerte bestimmte weitergehende Freiheitsbeschränkungen in Kraft setzt. Die nächtliche Ausgangssperre – mittlerweile als eine der dümmsten aller Maßnahmen im Rahmen der Pandemiebekämpfung erkannt, was aber nichts an der Beibehaltung ändert – beginnt jetzt erst um 22 und nicht bereits um 21 Uhr. Wenn die Fortschritte weiter in diesem Tempo erfolgen, darf man ab Ostern 2025 auch nachts um 1 Uhr aus dem Haus gehen.

Was auch auf WEB.DE zu lesen war: Der Hinweis darauf, wie extrem weit die Prognosen des Robert Koch Instituts für die Inzidenzwerte Mitte April daneben lagen. Die wegen aufgetretenen Mutationen des Coronavirus‘ vorhergesagte Katastrophe blieb aus. Und sie wäre eventuell auch ausgeblieben, wenn man nicht auf Basis fortgeschrittener Hysterie agiert hätte.

Natürlich gibt es nach wie vor genug Menschen, denen das alles zu lasch ist, auch unter Journalisten, aber immerhin bröckelt die antipandemische Einheitsfront der Weiter-so-Hardliner etwas.

Einen Termin für eine Impfung zu bekommen, ist weiterhin nicht einfach, und die „Entscheider“, Experten (für was auch immer) und anderen Beteiligten sind bezüglich des ferneren Vorgehens nicht der gleichen Meinung. Soll die – ohnedies schon veränderte – Reihenfolge der impfberechtigten Gruppen beibehalten (zuerst die über 80 Jahre alten oder in besonders gefährdeten Berufen tätigen Personen, dann die Jüngeren usw.) oder abermals geändert oder ganz abgeschafft werden? Wobei das Filter der durch das System der Terminvergabe für die Impfzentren gegebenen zufälligen Verteilung an die Anrufer bzw. Online-Nachfrager natürlich noch dazukommt. Im September wird ein neuer Bundestag gewählt, deshalb versprechen zumindest Politiker aller Parteien, dass demnächst jeder, der das will, auch geimpft werden kann.

Was haben die Akteure auf EU-, Bundes- und Landesebene nicht für einen Misthaufen angerichtet, während andere, die nicht dauernd ihr Gesicht in den Nachrichtenspalten vorzeigen, die wirklich nützliche Arbeit machen. Wer es in Mannheim geschafft hat, einen Termin im Impfzentrum zu ergattern, bekommt nicht nur eine Ladung Comirnaty (das ist der Handelsname des BioNTech-Impfstoffs) in den Arm gejagt, er kann auch erleben, wie eine klug geplante, effizient arbeitende öffentliche Einrichtung funktioniert. Das ist so eindrucksvoll, dass es einem schon einiges Vertrauen in die Fähigkeiten der kommunalen und staatlichen Apparate zurückgibt. Welch ein Glück, dass Herr Lauterbach damit nichts zu schaffen hatte.

28. Mai 2021

Im Ernst Leitz Museum in Wetzlar gibt es derzeit eine großartige Ausstellung von Bildern des Fotografen Steve McCurry. Und seit gestern kann man sie auch wieder sehen, natürlich nach Terminvereinbarung und mit Maske (was, zugegeben, für Brillenträger die Freude mindert). Der Besucherandrang hielt sich während meines Besuchs in Grenzen. Ich hatte die Ausstellung etwa eine Stunde lang für mich allein, was nicht nur den Genuss des Betrachtens steigerte, sondern auch Infektionsrisiken weitgehend ausschloss. Bleibt im Interesse der Ausstellungsmacher zu hoffen, dass die Besucherzahlen steil nach oben gehen (was zumindest an den Wochenenden auch zu erwarten ist).

Hier in Mannheim waren zu Beginn der vorigen Woche die alles entscheidenden Inzidenzwerte noch nicht an fünf aufeinander folgenden Tagen unter 100, weshalb einem Nicht-Gewerbetreibenden der Zugang zum Baumarkt ohne vorangegangene Terminabsprache und negative Testbescheinigung (aus den letzten 24 Stunden) nicht erlaubt war. Da eine kurze Recherche im Internet ergab, dass in Heidelberg die Baumärkte offen waren, habe ich es vorgezogen, meine Schrauben dort zu kaufen. Das war wegen der damit verbundenen Nutzung eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor zweifellos ein unerfreulich klimaschädlicher Akt. Angesichts einer überwiegend von Verboten geprägten sozialen Umwelt fällt es mir allerdings zunehmend schwerer, die noch erkennbaren Freizonen durch Selbstreglementierung zu verkleinern. Man könnte auch sagen: Gelegentlich macht sich die Wurschtigkeit breit.

7. Juli 2021

Die Sommerferien stehen bevor, wagemutige Politiker und Krankheitsexperten wünschen den Reisewilligen einen schönen Urlaub, das Auswärtige Amt erwägt, mangels erkennbarer Gründe für das Aufrechterhalten diverser Reisebeschränkungen auf selbige zu verzichten. Aktuell (Stand: 6.7.2021) beträgt die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner in Mannheim 2,9. Gartenlokale sind wieder geöffnet, Museen ebenso, und laut Bekanntmachung der Stadt Mannheim auch die Bordelle. Abgesehen von dem beibehaltenen Maskenzwang (ob auch in Bordellen, kann ich nicht zuverlässig sagen) ist alles fast wie im richtigen Leben. Die Masken vergällen einem zwar längere Ausstellungsbesuche, aber manche Ausstellung ist es wert, den primär der Symbolik geschuldeten Quatsch zu ertragen. Im Städel kann man derzeit eine Ausstellung über Fotografie in den 1920er und 1930er Jahren sehen, die zu besuchen trotz Maskenpflicht lohnt.

 

Und wo bleiben die Herren Drosten und Lauterbach? Herr Lauterbach jedenfalls schaut auf die ihm eigene streberhaft-besorgte Weise aus den Nachrichtenseiten im Internet und ist wegen der Delta-Variante des Virus beunruhigt. Weil ich mich nicht mehr überwinden kann, diese ganzen Wichtigtuereien zu lesen, weiß ich nicht, wie sehr ich mich aktuell ängstigen sollte.

In der Süddeutschen Zeitung war zu lesen, dass die Bundesregierung (immer gut im Verteilen des Gelds von fremden Konten) den deutschen Krankenhäusern letztes Jahr 50.000 Euro pro zusätzlich eingerichtetem Intensivbehandlungs-Bett angeboten hat, was viele, viele auch genutzt haben. Das Geld dafür stammte ausschließlich von den gesetzlichen Krankenkassen und die zusätzlichen Betten sind mancherorts eher virtuell vorhanden, was aber nichts macht, denn weder werden sie gebraucht, noch stünde das nötige Personal zur Verfügung. Die Excel-Tabelle mit den ausgezahlten Beträgen – online für jeden zugänglich – führt aus Mannheim das Uniklinikum auf, das sich 3,2 Millionen Euro gegönnt hat, was einer Erweiterung der Intensivbetten-Kapazität um 64 entspricht. Nicht schlecht, zumal man sich fragt, ob dort gerade ein ganzer Gebäudeflügel leer stand. Die Umnutzung der Tiefgarage dürfte ja etwas zu aufwendig sein. Das Diakonissen-Krankenhaus hat nur 150.000 Euro für drei zusätzliche Betten beansprucht. Im Kreis Bergstraße hat das Kreiskrankenhaus immerhin 550.000 Euro gewünscht und bekommen. Im zuständigen Bundesgesundheitsministerium ist man laut SZ mittlerweile auf die schlaue Idee gekommen, mal nachzufragen, was mit dem vielen Geld denn tatsächlich geschehen ist. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.

 4. September 2021

In Dänemark, wo es mit dem Anteil der Geimpften an der Bevölkerung besser aussieht als hier, sind die seuchenbedingten Einschränkungen von Bürgerrechten aufgehoben worden; in Deutschland, wo die nun doch wieder als gesellschaftliches Fieberthermometer genutzten Inzidenzwerte oberhalb von 100 liegen, erscheint der unvermeidliche Herr Drosten wieder in den Medien – und was macht er? Richtig geraten: Er warnt. Herrn Lauterbach gibt es auch noch. Und er hat ebenfalls keine neue Beschäftigung gefunden.

Für mediengeile „Experten“ ist die Situation gerade nicht ideal, denn der bis jetzt nicht übermäßig interessante Bundestagswahlkampf zieht immerhin etwas Aufmerksamkeit auf sich, und die fehlt dann den Helden an der Seuchenfront. Der Bundespräsident könnte natürlich dem Herrn Drosten noch ein Bundesverdienstkreuz in der Sonderausfertigung mit rotem Kreuz und Armbinde verleihen, aber er übt sicher schon die salbungsvollen Ansprachen zur Verabschiedung der Regierungsmitglieder nach der Wahl. Immerhin hat Herr Maas sich bis zur Selbstaufopferung dafür verausgabt, dass man seine Amtsvorgänger im Vergleich für große Leuchten hält. Das muss einer erst mal schaffen. Ist aber ein anderes Thema.

Die momentan geltenden Seuchenschutzvorschriften sind bis 30. September befristet. Bis dahin werden auch die meisten Impfzentren, z. B. das in Mannheim, bestehen bleiben. Anschließend soll das Impfen von den niedergelassenen Ärzten geleistet werden. Seit drei Tagen liegt Spekulatius in den Supermarkt-Regalen. Die Debatten über „Weihnachts-Lockdown“ und ähnliche Themen steht uns bevor, die „Experten“ halten Ausschau nach der „Welle“, auf der sie über die Nachrichtenbildschirme zu surfen gedenken.

1. Dezember 2021

Sie sind noch alle da: Die Herren Drosten und Lauterbach, die Kriegsberichterstatter/innen der Presse und natürlich das Corona-Virus, wahlweise in den aktuell besonders gefürchteten Varianten Delta und Omikron. Was nicht mehr da ist, sind die Impfzentren. Die wurden hier in Baden-Württemberg planmäßig zum 30. September geschlossen und abgebaut. Die Quote der vollständig Geimpften an der Gesamtbevölkerung liegt heute noch immer unter 70 Prozent. Das ist zu wenig, und dass es zu wenig ist, wusste man auch schon im September. Derzeit ist die Impfungsnachfrage groß, zumal den vor mehr als sechs Monaten mit der zweiten Spritze bedachten nahegelegt wird, durch einen „booster shot“ ihre Immunabwehr aufzurüsten.

Das Bundesverfassungsgericht hat nach nur einem Jahr zweifellos sehr sorgfältigen Prüfens am 19. November die gegen die „Bundesnotbremse“ und die mit ihr verhängten Eingriffe in bürgerliche Freiheitsrechte gerichteten Verfassungsbeschwerden verworfen. Der Beschluss wurde gestern verkündet. Vor einigen Wochen hatte Heribert Prantl in der SZ geschrieben, dass das BVerfG noch nie in seiner Geschichte so total versagt habe wie jetzt vor der Corona- und der zugehörigen Politik-Plage. Ich bin gespannt, wie er diesen Beschluss  kommentieren wird. Dem Ganzen vorangestellt hat das Gericht eine Reihe von Leitsätzen, die hervorheben, welchen hohen verfassungsrechtlichen Schutz die Freiheitsrechte genießen, wie beispielsweise die Freiheit, sich mit anderen Menschen zu treffen, auch wenn diese im rechtlichen Sinn keine nahen Angehörigen sind. Auch wenn sich derlei pathetische Prosa gut ausmacht und sicher viel zitiert werden wird: Verbindlich ist sie bekanntlich nicht, denn Leitsätze haben keinerlei rechtliche Bindewirkung. Die (auch nicht bindende) Begründung des Beschlusses (der kein Urteil ist, da es keine mündliche Verhandlung gab) hat ungefähr 300 Seiten, weshalb ich mit der vollständigen Lektüre wohl noch eine Weile beschäftigt sein werde. Es gibt ja in der Geschichte des Gerichts ganz brillante Urteile, die man gern auf einen Sitz lesen mag, aber ich fürchte, dass mehr als zehn Seiten täglich in diesem Fall meiner Gesundheit schaden würden.

Die seuchenpolitischen Hardliner und ihre den publizistischen Mainstream bildenden Unterstützer rufen laut nach Lockdown, und zwar nach einem noch strikteren als beim letzten Mal. Viel Unterstützung hat auch die Forderung nach einer Impfpflicht. Angeblich gibt es in Pflegeeinrichtungen immer noch ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier in Ba-Wü ist aber seit letzter Woche nicht nur der Nachweis vollständiger Impfung, sondern zusätzlich eines aus den letzten 24 Stunden stammenden negativen Testergebnisses  erforderlich, um ein Pflegeheim auch nur betreten zu dürfen. Rätsel über Rätsel.

Soweit sich bereits Anfang Dezember eine Jahresbilanz ziehen lässt, kann die ungefähr lauten: 2021 war ein Scheißjahr. Aber zum Glück haben wir es überlebt. Viele andere haben das nicht.